AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Kostproben

Frühstücks-Gau

Ein Mensch lehnt sich entspannt zurück,
genießt das Morgenfrühstücksglück,
betrachtet froh den Gabentisch,
mit Knusperbrötchen, warm und frisch.

Das Leben ist ganz einfach toll,
sinniert er zart und liebevoll,
beißt in das Backwerk mit Genuss,
mit Euphorie ist jählings Schluss.

Er separiert in Windeseile,
das Harte und die weichen Teile,
die weichen kommen in den Schlund,
das Harte holt er aus dem Mund.

Dann wandert seine Zungenspitze
in eine canyongroße Ritze,
die eine Plombe hinterließ
und ihm zerstört das Paradies.

Mit starrem Blick auf jene Masse,
führt er zum Mund die Kaffeetasse,
der heiße Sud aus Kaffeebohnen
trifft auf entblößte Zahnneuronen.

Die Frau, noch schlummernd auf Matratze,
schimpft, halb im Schlaf, auf Nachbars Katze,
dreht sich noch einmal auf die Seite,
verschwindet in der Träume Weite.

Um acht wälzt sie sich aus den Daunen
und findet Leere zum Erstaunen.
Ein Zettel kündet vom Vermissten:
Bin ungeplant kurz zum Dentisten!

Der Mensch, per Auto hin zum Arzt,
schaut in den Spiegel arg verknarzt,
saugt kalte Luft ein, kommt zum Schluss:
Der Schmerz macht diesen Gang zum Muss!

Die Ankunft lässt erneut ihn fluchen,
jetzt muss er auch noch Parkplatz suchen,
dann tritt er ein, die Seele bange
und stellt sich in die Warteschlange.

Schon der Geruch lässt ihn erstarren,
soll er noch flüchten oder harren?
Gedanken rasen hin und her,
zu spät, er hört schon: "Bitte sehr?"

Er schafft, devot und larmoyant,
Mitleid erhoffend und charmant,
dass man ihn rasch dazwischen nimmt
und repariert, was kaubestimmt.

Im Wartezimmer tiefes Schweigen,
nicht einer will hier Schwäche zeigen,
doch ist wer dran, entgleist die Miene,
als ginge es zur Guillotine.

Schon wieder öffnet sich die Tür.
"Der Name, der gehört zu mir",
so denkt der Mensch mit kaltem Schweiß
und folgt der Helferin in Weiß.

Es grüßt ihn lächelnd und jovial,
der Zahnbehandler seiner Wahl,
piekst kurz in jene Riesenritze,
steht auf, holt die Betäubungsspritze.

Erst kommt der Große, laut und brummend,
dann folgt der Kleine, sirrend, summend,
zum Schluss die Füllung - reicht die Kraft?
Die Ecken glätten und geschafft.

Der Mensch spitzt kurz zur Armbanduhr,
ersehnt das Ende der Tortur,
dann kehrt zurück sein Lebensspaß,
als er die Worte hört: "Das war´s!"

Voll Dankbarkeit drückt er die Hand,
die seiner Schmerzen Heilung fand
und geht mit tauben Lippen fort
von jenem ungeliebten Ort

Als er gelöst im Auto sitzt
und seine neue Plombe blitzt,
hat er die Schmerzen rasch vergessen
und tönt bereits beim Mittagessen:

Er könne Menschen nicht verstehen,
die voller Angst zum Zahnarzt gehen,
das sei das Schönste auf der Welt ...
Bewundernd lobt die Frau den Held.

Im Bett, die Augen schwer wie Stein,
fällt ihm ein Aphorismus ein:
So manchmal hängt des Tages Glück,
an eines Kiefers kleinem Stück.

Hans-Georg Wiggez

Mein größter Wunsch (Hörprobe)

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